Zwischen Völkerrecht und Pädagogik
Carlo Schmid an der Universität
Am 3. Dezember feiert die Universität Carlo Schmids 100. Geburtstag

In einem Festakt, der um 20.00 Uhr im Festsaal der Neuen Aula beginnt, würdigen Oberbürgermeister Dr. Eugen Schmid, Regierungspräsident Dr. Max Gögler und Rektor Prof. Dr. Hans-Werner Ludwig die Verdienste des Politikers und Wissenschaftlers. Den Festvortrag Carlo Schmid- ein Meister der Beredsamkeit hält Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Walter Jens.

Carlo Schmid war der Universität seit seiner Studienzeit verbunden gewesen. Nach seinem Abitur wollte er zunächst Medizin studieren, da er sich sehr für Psychologie interessierte. Doch seine Eltern hatten sich die Finanzierung einer Ausbildung mit damals noch ungesicherten Berufschancen nicht leisten können. So entschied sich Carlo Schmid, der mit vollem Namen Charles Jean Martin Henri Schmid heißt, für die Jurisprudenz. Um in den württembergischen Staatsdienst übernommen zu werden, mußte man zu dieser Zeit einen Tübinger Jura-Abschluß vorweisen können.

Wie Petra Weber in ihrer im letzten Jahr erschienenen Biographie schreibt, konnte Schmid sein Studium wegen des 1. Weltkrieges jedoch erst 1919 beginnen. Bereits im Sommer 1921 machte er seinen ersten Abschluß, vier Jahre später den zweiten. Im nachhinein bedauerte er seine kurze Studienzeit, da er es als wichtig erachtete, sich an der Universität auch humanistische Bildung anzueignen. Doch seine finanzielle Situation zwang ihn, so früh wie möglich Geld zu verdienen. Nach seinem ersten Examen stellte das Tübinger Landgericht Schmid als Referendar ein. Parallel zu dieser Tätigkeit entstand seine Dissertation über das Betriebsrätegesetz, die er 1925 abschloß.

1927 stellte ihn das Seminar für Völkerrecht als Hilfsassistenten ein. Hier war er verantwortlich für die Vorbereitung und Leitung von Seminaren und die Betreuung von Doktoranden. Doch im selben Jahr erhielt er das Angebot, am Berliner Kaiser Wilhelm Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht mitzuarbeiten und Referent am deutsch-polnischen Schiedsgericht zu werden. So kam Schmid erstmals in Kontakt mit der "großen Politik". Eineinhalb Jahre später kehrte er in die Neckarstadt zurück und habilitierte sich 1929 über die Rechtssprechung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Diese Arbeit war als Handbuch für Politikpraktiker gedacht und sollte ihnen durch die systematische Darstellung eine Orientierung bieten. Am 20. November hielt Schmid seine Antrittsvorlesung über sein Lieblingsthema - Völkerrecht - mit dem Titel "Völkerrechtliche Haftung der Staaten für Ausländern zugefügte Schäden". In den folgenden Jahren sprach er u. a. über den Versailler Vertrag, den Völkerbund, Reparationen oder die Rechte von Minderheiten und verband dabei Politik mit Religion, Literatur und Philosophie.

Bei den Studierenden war der Privatdozent sehr beliebt. Anfangs las Schmid noch Wort für Wort von seinem Skript, doch mit der Zeit redete er frei und entdeckte sein Talent für die Vermittlung von Wissen. Der Jurist galt auch als kunstsinniger Mensch und versuchte seine Studierenden für Schöngeistiges zu begeistern. Nach seinen Seminaren ging er mit ihnen ins Cafe Völter oder ins Roigelhaus, diskutierte über Politik, rezitierte Literatur und lud sie auch zu seiner Familie ein. Besonders nach der Machtübernahme durch die NSDAP hoffte Schmid, die studierenden Jugendlichen durch Diskussionen und persönliche Überzeugungskraft von der radikalen Massenbewegung abzubringen. Nach dem Vorbild der Begründer der Erwachsenenbildung richtete er mit Kollegen und Studierenden in Münsingen einen Freiwilligen Arbeitsdienst ein, in dem arbeitslose Jugendliche mit Studenten jeweils vier Wochen lang in einem Steinbruch zusammen arbeiteten. 1931 und 1932 war Schmid Leiter des Lagers. Doch seine Hoffnungen, die politische Gesinnung der Jugendlichen beeinflussen zu können, erfüllten sich nicht.

Seine politische Haltung verhinderte letztendlich seinen Aufstieg an der schon seit 1931 von Anhängern der Nazis dominierten Universität. Besonders die Rechtswissenschaftliche Fakultät galt als "Hort überzeugter Nationalsozialisten". 1933 wurde Schmids Personalakte am Tübinger Landgericht mit einem Beförderungssperrvermerk versehen. Um nicht aus der Universität ausscheiden zu müssen, trat er dem Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen bei, denn im selben Jahr wurde das Führerprinzip an der Universität eingeführt. In einer Vorlesung benannte er den Nationalsozialismus als "Philosophie von Viehzüchtern, angewandt am verkehrten Objekt", was nur durch die Rückendeckung durch den NS-Studentenführer zu keinen schlimmeren Konsequenzen für ihn führte. Sein Aufstieg wurde jedoch systematisch verhindert, und nach 1938 besuchten seine Veranstaltungen nur noch eine Handvoll Studierender.

Nach dem Einmarsch der Alliierten in Deutschland kümmerte sich Schmid um die unmittelbaren Versorgungsprobleme und die Neubesetzung des Gemeinderates. Die Tübinger Universität verdankt Schmid ebenfalls ihre schnelle Wiedereröffnung und eine nicht willkürlich vorgenommene Entnazifizierung. Kurz nach der Kapitulation bildete er einen Arbeitsstab mit politisch unbelasteten Professoren und Dozenten. In Zusammenarbeit mit dem neuen Rektor Hermann Schneider wurden Säuberungslisten erstellt und Professoren neuberufen. Schmid holte einige bekannte Lehrende nach Tübingen wie Romano Guardini, Wilhelm Weischedel, Eduard Spranger, Alfred Kühn oder Adolf Butenandt. Immer wieder forderte er die Verbindung von Wissenschaft und Pädagogik und beklagte die "Niveaulosigkeit und Mittelmäßigkeit der Lehrenden".

Nach dem Krieg wurde Schmid endlich zum außerplanmäßigen Professor ernannt und wurde 1946 auf den Lehrstuhl für öffentliches Recht an der Rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät berufen. Damit erhielt er endlich die universitäre Anerkennung, die ihm eigentlich schon seit 1935 zustand, jedoch durch eine konservative und nazitreue Universität vor dem Krieg verweigert worden war. 1952 wechselte Schmid an die Universität Frankfurt, wo er für den Lehrstuhl für wissenschaftliche Politik berufen worden war, da er von Frankfurt aus leichter seinen neuen Wirkungsort Bonn erreichen konnte. Doch auch danach noch hielt er in Tübingen Gastvorlesungen als Honorarprofessor.

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